Das Kinesio-Taping gehört heutzutage zum Alltag orthopädischer und sportmedizinischer Praxen. Was genau das eigentlich ist, wann und wie es angelegt wird und was es dabei zu beachten gibt, erfahren Sie hier von unserem Sportorthopäden Dr. Stephan Maibaum.
Was ist Kinesio-Taping?
Kinesio-Tape ist die Kurzform von „Kinesiologisches Tape“. Es handelt sich dabei um eine Art hochelastisches Stoffpflaster, welches in seinen Eigenschaften der menschlichen Haut ähnelt und Anfang der 1970er Jahre vom japanischen Chiropraktiker Dr. Kenzo Kase entwickelt wurde. Die Anwendung eines Kinesio-Tapes (heutzutage auch Physio-Tape, Muskel-Tape, Sport-Tape oder medizinisches Tape) bezeichnen wir als Kinesio-Taping.
Die Hauptaufgabe des Tapings besteht darin, die Selbstheilung des Körpers anzuregen. Bei Verletzungen oder Entzündungen von Bändern, Muskeln und Gelenken dient es außerdem der Stabilisierung ohne Einschränkung der Beweglichkeit.
Wirkung des Kinesio-Tapings
Beim Kinesio-Taping sind unsere Hauptansatzpunkte die Haut und die Muskulatur. Durch das Setzen des Tapes auf bestimmte Punkte, in speziellen Mustern und mit exaktem Zug bewirken wir unter anderem:
- Aktivierung (Tonisierung) bzw. Deaktivierung (Detonisierung) der Muskulatur
- Verbesserung der Durchblutung (Hyperämisierung), dadurch Steigerung der Wärmeproduktion
- Aktivierung des Lymphabflusses, bessere Ableitung von Stoffwechselprodukten
- Beeinflussung des inneren Schmerzsystems und dadurch Schmerzlinderung
- Reizung verschiedener Akupunkturpunkte zur Aufhebung von Störungen der Energiemeridiane
- Einfluss auf die Faszienverklebungen
Anlagearten beim Kinesio-Taping
Die Wirksamkeit eines Kinesio-Tapes steht und fällt mit der richtigen Anlagetechnik. Es sollte deshalb von einem geschulten Physiotherapeuten oder Mediziner angelegt werden. Erst nach einer ärztlichen Einweisung und etwas Übung können Sie das Tape auch selbst anwenden. Wichtig ist, dass zuvor anhand der Krankengeschichte (Anamnese) und diverser Tests festgestellt wird, was für eine Verletzung vorliegt und welche Therapie- bzw. Anlagemethode die richtige ist.
Grundsätzlich sollte die Haut bei der Taping-Behandlung frei von Wunden und Infektionen sowie trocken und sauber sein. Nach der Stellung der Diagnose und der Festlegung der Anlagetechnik schneiden wir das Kinesio-Tape in die richtige Länge. Nach dem Abziehen der Trägerfolie beginnen wir mit der Platzierung. Je nach vorliegendem Beschwerdebild schneiden wir das Tape wie folgt zu:
- U-Form: Das Tape wird als Ganzes wie ein U platziert (zum Beispiel zur Stabilisation des Sprunggelenks).
- Y-Form: Wir schneiden etwa die Hälfte des Tapes ein, sodass es wie ein Y aussieht (zum Beispiel bei Kniebeschwerden, die beiden Y-Zügel werden dann um die Kniescheibe herum angelegt).
- X-Form: Wir schneiden beide Enden des Tapes ein und lassen in der Mitte eine Basis bestehen (zum Beispiel zur Aufrichtung des Rückens)
- Fächerform: Hierbei schneiden wir das Tape in viele dünne Zügel mit einer Basis am anderen Ende zu (zum Beispiel als Lymphtape bei Schwellungen zur Verbesserung des Lymphabflusses).
Anwendungsgebiete
Das Kinesio-Taping eignet sich für zahlreiche Beschwerdebilder. Dazu zählen zum Beispiel:
- Wassereinlagerungen (Ödeme)
- Bandverletzungen (Überlastung, Schmerzen, Entzündungen, Bänderrisse, etc.)
- Muskelverletzungen (Zerrungen, Schmerzen, Überlastung, Faserrisse, Entzündungen, etc.)
- Gelenkverletzungen (Schmerzen, Entzündungen, Überlastung, Schwellungen, Instabilität, etc.)
- Arthrose (besonders mittelgroße Gelenke wie Sprung-, Ellenbogen- oder Kniegelenk)
- Rückenschmerzen (zum Beispiel bei Verspannungen oder einer Instabilität von Wirbelsäulensegmenten)
- Faszienverklebungen
Wie wird das Tape angelegt?
Die genaue Anlage möchten wir Ihnen anhand zweier Beispiele am Schienbein und am Kniegelenk verdeutlichen.
Beispiel Nr. 1: Das Schienbein richtig tapen: Inneres Schienbeinkantensyndrom
Schritt 1: Applizieren Sie die Basis am Kahnbein ohne Zug
Schritt 2: Legen Sie das U-Tape mit leichtem Zug bei außengedrehtem und angezogenem Sprunggelenk um den inneren Knöchel, entlang der inneren Schienbeinkante.
Schritt 3: Applizieren Sie die Y-Tapes mit der Basis an die hintere innere Schmerzstelle. Lassen Sie dabei die beiden Zügel unter mittlerem Zug nach außen über die innere Schienbeinkante auslaufen.
Schritt 4: Bei Bedarf können Sie noch weitere Y-Zügel an die Schmerzstellen anlegen.
Beispiel Nr. 2: Korrektur der lateralisierten Patella (Kniescheibe)
Schritt 1: Der Patient befindet sich auch hier in Rückenlage und das Kniegelenk ist in Neutralstellung.
Schritt 2: Bei dieser Anlage brauchen wir zwei Y-Tapes – eines mit etwa 10 cm und eines mit 20 cm Länge. Das kürzere platzieren wir mit der Basis am inneren Gelenkspalt. Dann wird das Knie leicht gebeugt und wir fixieren zunächst unter Spannung und dann auslaufend den oberen Y-Zügel wenige Millimeter oberhalb und den unteren Zügel wenige Millimeter unterhalb der Patella.
Schritt 3: Das zweite und längere Y-Tape fixieren wir mit der Basis etwa eine Handbreit oberhalb der Kniescheibe. Dann ziehen wir den äußeren Zügel unter voller Spannung um den äußeren Kniescheibenrand entlang bis zur Tuberositas tibiae (deutlich tastbarer Knochenpunkt unterhalb der Patella). Den inneren Y-Zügel platzieren wir mit weniger Spannung entlang des inneren Kniescheibenrandes ebenfalls auf der Tuberositas.
Die Bedeutung von Farben beim Taping
Dr. Kenzo Kase arbeitete damals mit zwei Farben: Blau, wenn er eine beruhigende und detonisierende Wirkung erzielen wollte, und rot, wenn er wärmend und anregend arbeitete. Heutzutage sind Kinesio-Tapes in allen möglichen Farben verfügbar, eine spezifische Wirkung konnte ihnen bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Wir empfehlen Ihnen, die Farbe zu wählen, mit der Sie sich am wohlsten fühlen.
Tipps zum Kinesio-Taping
Damit ein Tape seine Wirkung voll entfalten kann und so lange wie möglich hält, gibt es einige Dinge zu beachten:
- Desinfizieren Sie die Haut vor Anlage des Tapes.
- Das Tape hält besser und länger, wenn die Enden abgerundet werden. Beim Zuschneiden sollte darauf geachtet werden.
- Tape klebt auf der Haut besser als auf Tape. Bei mehreren Zügeln und Bahnen sollte deshalb so viel Tape wie möglich direkt auf der Haut liegen.
- Falten im Tape vermindern den Zug und damit die Wirksamkeit. Bei der Anlage sollte deshalb darauf geachtet werden, dass sich keine Falten bilden.
- Damit der Klebstoff am besten wirkt, reiben wir nach der Anlage kurz über das Tape. Durch die entstehende Wärme haftet er besser an der Haut.
Info:
Die Behandlung wird von Privatkassen und Berufsgenossenschaften übernommen. Bei Kassenpatienten handelt es sich in der Regel um eine IGeL Leistung.
Haben Sie noch Fragen zum Kinesio-Taping? Leiden Sie unter Beschwerden und möchten wissen, ob eine Taping-Anlage das Richtige für Sie ist? Wir beraten Sie gerne zu Ihrem persönlichen Fall. Nehmen Sie hier Kontakt mit uns auf: www.sportopaedie.de/kontakt oder rufen Sie uns an: +49 (0) 6221 64909-0